Ich schweige, denn mein Mund ist voller Dreck. Dreck aus Kies und Erde. Einfach Dreck. Umgeben von Dreck, unsauber geschaufelt und vermutlich metertief. Regentropfen prasseln in meinen Nacken, doch bin ich nicht in der Lage mich umzudrehen. Teilweise liegt das wohl daran, dass mein linker arm aus seinen Gelenk rausgekugelt wurde, während mein Rechter vermutlich irgendwo unter mir liegt. Atmen fällt schwer mit dem Gesicht im Dreck. Stetig sauge ich durch die Nasenlöcher feine trockene Erde ein, da mein Kopf bisher den Regen davon abhält sich vor mir zu zeigen. Ich sehe nur Dreck.
Zuerst war der Schmerz am Schädel, vermutlich habe ich mir beim Sturz den Kopf aufgeschlagen. Vielleicht wurde ich aber auch betäubt und hier rein geworfen. Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich nur noch wage an alles. Da ich jedoch bemerke, dass meine Haare ziemlich lange sind, vermute ich einen Gedächtnisverlust. Eine Amnesie. Oder aber ich liege hier gegen die Gesetze der Nahrungsaufnahme schon einige Wochen. Das schließe ich jedoch aus. Mein Magen scheint gesättigt zu sein. So satt, dass mir noch halbwegs übel ist. Oder ist es ein Kater? War ich vielleicht besoffen und bin in einen Graben gestürzt? Ich weiß es nicht. Alles was ich weiß ist, dass der Boden um mich herum beginnt zu schwimmen.
Es scheint zu stürmen, erkenntlich daran, dass dickere Äste auf meinen Rücken landen. Ein schönes Gefühl noch am Leben zu sein. Wenn ich das jemanden erzähle. Aber wen nur? Es scheint wirklich, das mein Gedächtnis mir keine Informationen zu lässt. Doch irgendwas muss ich tun.
Ich versuche es mit dem rechten Arm, stemme mich langsam gegen ihn und kann mich leicht erheben. Dann ein Knacken, als würde man eine Holzröhre brechen. Mein Schädel findet Ruhe auf einem abgebrochenen Plastikrohr, dessen spitzen Zacken sich in meinen Hals stechen. Schreie gelingen mir nicht. Ich kenne nicht mal meine Stimme. Vielleicht war ich bisher stumm. Ich kann es nur vermuten.
Aus dem Dreck wird Matsch der langsam steigt. Immerhin kann ich atmen. Danke zwickendes Rohr.
Ich bilde mir ein es zwickt, dennoch ist mir bewusst, dass bereits Ratten in leichter Panik an meinem Hals nagen. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Würde vor meiner Haustür eine Tonne Kartoffelbrei liegen, würde ich ihn ebenfalls für mich verwenden, bevor er schlecht wird. Ich entwickle Sympathie für die kleinen Nager, ohne zu wissen, dass sie es sind. Es könnten auch Kobolde sein.
Der Schlamm beginnt in das Rohr zu fließen, ich schwimme leicht im Dreck. Das Nagen hört auf, doch es brennt sehr stark. Wie gerne wäre ich jetzt einer dieser Menschen, die einfach sterben wollen.
Ich müsste mich einfach nur darauf einstellen, dass dies geschieht. Auf den Tod warten. Es würde es mir leichter machen. Dummerweise will ich aber leben. Ich würde meinen kaputten rechten Arm dafür hergeben, dass eine dieser Heulsusen an meiner Stelle ist.
Ich habe Glück, dass der Regen aufhörte als nur noch meine Nase aus dem Matsch hervorragte. Mein Genick ist ziemlich steif aufgrund der Tatsache, dass ich meinen Kopf so drehen musste.
Die Wände beginnen einzufallen und mich sanft zu begraben, das spüre ich. Doch die Vibration ist neu. Da Dreck, Käfer und Würmer um meine Ohren kriechen empfinde ich mehr Ekel als Beruhigung. Ich versuche dennoch mich freizuschütteln, wobei mein Genick noch heftiger schmerzt.
Ein Ohr scheint nahe genug der Oberfläche zu sein. Dumpfe Geräusche werden empfangen, die an Menschen erinnern.
Die Vibration wird wohl eines LKWs nahe der Grube geschehen sein. Vielleicht ein Krankenwagen oder ein Kran. Vielleicht hat man mich gefunden. Ich zappel noch mehr um auffällig zu wirken. Doch in der nächsten Zeit geschieht nichts.
Gefühlte Stunden später brüllt ein vermutlich korpulenter Kerl: "Olkaamme lopuksi sulje reikä ja mennä kotiin." Das ich das verstehe, liegt wohl daran dass ich Finne bin.
Nach einigen Minuten wird alles schwerer als ein Breiartiges Gefühl sich langsam auf meine Beine legt und die Grube füllt. Das wird wohl Zement sein. Ich frage mich, ob man wusste, dass ich hier unten bin oder nicht. Mafiosi oder Straßenbauarbeiter. Zement oder Beton. Vielleicht war ich eine der Heulsusen die sterben wollte, bis ich mein Gedächtnis verlor. Jetzt werde ich verewigt im Untergrund sein. Ich wollte sowieso nie einen Grabstein.